Vergessene Landschaft

Freitag, 15 Juli 2022

Vergessene Landschaft

Letzten Dienstag feierte die KHG den Gottesdienst im Freien, am Kuhsee bei Augsburg, in einer schönen Naturlandschaft. Daran inspirierten sich meine Predigtgedanken: Dass wir nämlich über die geographisch schöne Umgebung hinaus auch stets in geistig-kulturellen, emotionalen und spirituellen Landschaften leben. Sie haben wir uns nicht ausgesucht, wurden vielmehr in sie hineingestellt.

Auch Jesus wurde ähnlich in menschliche ‚Landschaften‘ hineingeboren: in die Landschaft der hellenistischen Philosophie (Platonismus, Stoizismus, Epikureismus), die Landschaft des römischen Reiches, in die religiöse Landschaft des Alten Testaments, und last but not least in die malerische Landschaft um das ‚galiläische Meer‘, den See Genezareth.

Welche dieser Landschaften war ihm die wichtigste? Das Römische Reich interessierte ihn wenig: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“ (Mt 22,21). Die philosophische Landschaft seiner Zeit? Er spekulierte nicht über Gott und die Welt, er erzählte vom Reich Gottes in Gleichnissen. Und die religiöse Landschaft der Schriftgelehrten und Pharisäer ließ er zwar nicht links liegen, korrigierte sie aber. Weil er wusste, dass Gott sich darin nur niederlässt, wenn es eine Landschaft ist, wo die Sonne der Liebe wärmt, das Grün der Hoffnung atmet, der Tau des Trostes und das lebendige Wasser des Glaubens den Transzendenzdurst der Menschen stillt.

In den Lesungen dieses Tages wurden Warnungen ausgesprochen: Bei Jesaja hieß es: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht“ (Jes 7,9). Im Evangelium sprach Jesus die Wehrufe über die Städte am See Genezareth aus (Kafarnaum, Chorazin, Betsaida), die sich auf seine Predigt hin nicht bekehren wollten. Jesus ganzes Wirken spielte sich ja in deren Umgebung, er liebte seine Heimat Galiläa. Aber, wie gesagt, ihm war die wahre Heimat des Menschen das Wichtigste, er sprach von der Bedeutung des Gottesbezugs für unser Dasein. Und musste feststellen, dass das eine vergessene Landschaft war und ist. Er vermisst bei den Städten damals – und wohl auch heute – die Landschaft des Glaubens.

Es lohnt sich über diese oft vergessene Landschaft nachzudenken: Denn ist eine Überlebensoase in den Wüsten der bloßen Politik und Diplomatie, des Geld- und Machtstrebens. Ohne die Sonne der Liebe, das Grün der Hoffnung und das Wasser des ewigen Lebens geht es nicht. Alles Voraussetzungen von denen wir leben, sie aber selbst nicht herstellen können.

Gehalten am 12. Jul. 2022 um 19.15 Uhr

J. Gregur