Allgemein

Wozu der Leib?

Freitag, 20 Mai 2022

Wozu der Leib?

Es gibt in der KHG Augsburg den Versuch eines neuen Gesprächsformats: „Was glaubst du?“ Es findet zweiwöchentlich am Mittwochabend statt. Die Studierenden tauschen sich über ein möglichst interessantes Thema aus. Letzten Mittwoch ging es um die Frage: Wozu brauchen wir den Körper bzw. den Leib, der so störungsanfällig ist und uns oft nur Probleme macht? Warum sind wir nicht nur Geist? – Ein komplexes Thema.

Zur Sprache kam, dass ohne Leib keine sinnliche Erfahrung möglich wäre; nicht nur, dass man als Geist nicht riechen und schmecken könnte, auch beten ginge dann nicht. Aber was ist mit den reinen Geistern, den Engeln? Beten die nicht? Vielleicht beten sie nicht, aber schauend anbeten. Man fragte sich weiter: Was für einen Leib hat Jesus nach der Auferstehung und welchen werden wir nach dem Tod haben? Einen verklärten, einen Licht-Leib, wie er in den Nahtoderfahrungen vielfach bezeugt wird? Das Phänomen der Nahtod- bzw. außerkörperlichen Erfahrung ließ das grundsätzliche Leib-Geist-Problem aufkommen: Ist unser Gehirn der Sitz des Bewusstseins oder nur sein Transmitter?

Fragen über Fragen. Mir kam zum Schluss der Gedanke, dass Gott uns als leibliche Wesen wollte, damit wir die Hingabe üben. Wie? Als rein geistliche Wesen würden wir vielleicht nicht von unserem stolzen Ich loskommen, das der Liebe zu Gott und dem Nächsten im Weg ist. Die Störanfälligkeit des Körpers macht uns offen und bescheiden, lehrt, von uns loszulassen und Gott als Geber des (ewigen) Lebens wahrzunehmen und anzuerkennen. Das Loslassen des Sterblichen führt uns zur Freiheit der Kinder Gottes. Das ist jeden Tag. Spätestens im Tod, wo er das Leibliche ganz aufgeben muss, lernt der Mensch den ‚Gehorsam‘, mit dem auch Jesus am Kreuz dem Vater die höchste Ehre gegeben hat: Nicht mein Wille, sondern der deine geschehe.

Einen gesegneten Sonntag!

P. J. Gregur

Passionsspiele versus Liturgie

Freitag, 13 Mai 2022

Passionsspiele versus Liturgie

 „Die Oberammergauer Passionsspiele sind das weltweit bekannteste Passionsspiel. In einer mehrere Stunden dauernden Aufführung stellen die Dorfbewohner Oberammergaus die letzten fünf Tage im Leben Jesu nach. Erstmals wurde das Passionsspiel 1634 als Einlösung eines Gelübdes nach der überstandenen Pest aufgeführt. Seit 1680 gilt ein zehnjährlicher Rhythmus, in der Regel im letzten Jahr eines Jahrzehnts.  Im 21. Jahrhundert musste die für 2020 vorgesehene Aufführung wegen der Coronavirus-Pandemie auf 2022 verschoben werden. “ (Wikipedia)

 Die KHG Augsburg nahm am vergangenen Samstag mit ca. 50 Studierenden daran teil. Es war ein Kulturerlebnis, denn die Spiele sind Weltkulturerbe. Uns ging es aber um das geistliche Nacherleben der Schicksaalstunden Jesu. Ca. 4000 junge Menschen, denen wir uns angeschlossen hatten, gingen den Kreuzweg Jesu in fünfstündiger Vorstellung innerlich gebannt mit.

 Man fragt sich: Worin unterscheidet sich das von der oft so langweilig erlebten Sonntagsmesse, wo es ebenfalls um die existentiellen Stunden Jesu geht? Der psychologische Grund liegt auf der Hand: Die Passionsspiele erlebt man nur einmal, den Gottesdienst aber immer wieder. Aber es gibt den entscheidenden, theologischen Unterschied: Der Gottesdienst ist kein Nachspiel wie in Oberammergau, sondern Nachvollzug seines Auftrags „Tut dies zu meinem Gedächtnis“. Was ist dieses „dies“? Nicht das Nachspielen des Letzten Abendmahls oder des Kreuzwegs. In der Messe wird nicht Golgota nachgeahmt, sondern in Wort und Symbol das gefeiert, was Jesus am Kreuz real vollzogen hat: die liebende Ganzhingabe an den himmlischen Vater. Im Gegensatz zum Theater, wo man mehr oder weniger bequem zuschaut, setzt Liturgiefeier die Bereitschaft voraus, selbst existentiell den Weg Jesu durch den Tod zur Auferstehung mitzugehen, will sagen: sein Ego, um den sich alles dreht, zu ‚opfern‘, von sich loszukommen, um wirklich frei zu werden – für sich und für andere.

P. J. Gregur

 

Maienkönigin

Freitag, 06 Mai 2022

Maienkönigin

Es ist eine inzwischen über 200 Jahre alte Tradition, im Monat Mai besondere Andachten zur Ehren der Muttergottes abzuhalten. Dieser Brauch kommt von Italien des 18. Jahrhunderts her und breitete sich schnell in ganz Europa bzw. in der katholischen Welt aus. Das Besondere dabei sind die Blumenaltäre und der romantisch-innige Volksgesang. Zum Beispiel das Lied „Maria Mainkönigin“.

Maria, Maienkönigin! Dich will der Mai begrüßen, O segne seinen Anbeginn, Und uns zu Deinen Füßen.  Maria! Dir befehlen wir, Was grünt und blüht auf Erden, O laß es eine Himmelszier In Gottes Garten werden.

Es ist in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts entstanden. Der Text ist von Guido Görres, dem Sohn des  berühmten katholischen Schriftstellers Joseph Görres. Nicht nur das einfache Volk erfreute sich an solch triefend süßer Romantik, auch Intellektuelle waren damals bereit, sich nach der staubtrockenen Aufklärung dem religiösen Gefühl hinzugeben. Heinrich Heine dichtete bekanntlich: „Im wunderschönen Monat Mai, Als alle Knospen sprangen, Da ist in meinem Herzen Die Liebe aufgegangen.“ Auch Marienfrömmigkeit speist sich von den ‚Frühlingsgefühlen‘, diesmal der göttlichen Liebe, die jedes Mal wie eine neu erblühende Landschaft empfunden wird. Da kann man nicht umhin, poetisch zu werden; wie im Jahr 1973 der Theologieprofessor Friedrich Dörr (Gotteslob Augsburg, Nr. 866):

1. Im Maien hebt die Schöpfung an zu blühen und zu singen. Die Erde hat sich aufgetan, uns neue Frucht zu bringen. Den Gnadenfrühling voller Pracht hast du, Maria, uns gebracht; Dir soll das Lob erklingen. 3. Du allerschönster Rosenstrauch, der je auf Erden blühte, befruchtet durch des Geistes Hauch, betaut von Gottes Güte: den Heiland, der aus dir entsprang, du nahmst ihn auf mit Lobgesang und liebendem Gemüte. 

Maria nahm IHN auf, um ihn weiterzugeben. Eine Aufgabe von uns allen, nicht nur jene der Hirten, an die wir an diesem 4. Ostersonntag auch denken.

 Schöne Woche!

J. Gregur

Maifeiertag

Freitag, 29 April 2022

Maifeiertag

 „Es reichen sich in Liebe die Hand,

vereinet zum Edelsten Streben,

die Arbeit der Werkstatt und vom Land,

im Kampf um ein besseres Leben.“

So heißt es in einer Strophe der „Parole des Proletariats“ auf der Titelseite des sozialdemokratischen Organs „Volksstimme“ vom 1. Mai 1901. Es war die Zeit, in der die soziale Frage auf den Nägeln brannte. Nicht nur bei den Sozialdemokraten. Auch der „Arbeiterpapst“ Leo XIII nahm sich 1891 der gesellschaftlichen Probleme in seiner Enzyklika Rerum novarum an. Sie gilt als Magna Carta bzw. einer der Grundtexte der Katholische Soziallehre. Was die Gedanken des Papstes allerdings von den Gedanken der Sozialisten unterscheidet, ist der Gottesbezug. In der Tat ist ohne Gott die menschliche Gerechtigkeit kaum wasserdicht. Warum sollte ein Arbeitgeber sich um die ‚Ressource Mensch‘ scheren, wenn er sie kapitalistisch ausbeuten kann und dafür vor niemand verantwortlich ist?

Um das Interesse am arbeitenden Menschen zu bekunden, legte die Kirche auf den ersten Mai, den „Kampftag der Arbeiterklasse“, den Gedenktag des hl. Josef, des Arbeiters. Hat er doch als Handwerker seine Familie ernährt. Leider hat man hierzulande eine Ausnahme erwirkt und feiert an diesem Tag die Patrona Bavariae. Nichts gegen Maria, wohlgemerkt! Aber ihr ist der ganze Monat Mai geweiht und wird, wieder woanders mehr als bei uns, mit schönen Maiandachten begangen.

In der Zeit, da die Schere zwischen Reich und Arm wieder auseinandergeht, wird die Frage der sozialen Gerechtigkeit immer brisanter. Es werden nicht nur die fremden Saisonarbeiter auf den Spargel- und Erdbeerfeldern ausgebeutet. Ein wirklich glaubender Unternehmer tut das allerdings nicht! Nur – wieviel von dem, was Jeus verkündet und für das Zusammensein der Menschen eingefordert hat, ist noch da? „Wird der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?“, so hat es Jesus selbst befürchtet (Lk 18,8). Jedenfalls haben sich viele unserer Heiligen aus dem Glauben heraus, nicht nur im 19. Jh., sozial engagiert. Und auch heute sind es vielfach Menschen des Glaubens, die unentgeltlich für andere einstehen.

Meint P. Gregur und grüßt euch herzlich zum Einstieg in den „wunderschönen Monat Mai“!

 

We are the champions! – Osteroktav

Freitag, 22 April 2022

We are the champions! – Osteroktav

Während meines Romaufenthaltes vor Jahren hat der Fußballklub Roma die italienische Meisterschaft gewonnen. Der Stadtbus, mit dem man sonst sein Ziel in wenigen Minuten erreichte, brauchte an diesem Sonntag fast eine Stunde. Hupende Autos, aus denen sich die Fans in südlicher Manier die Kehle heiser schrien, verstopften die Straßen: Campioni d’Italia siamo noi! Aber das war nur der Anfang. Eine Woche lang kamen Jung und Alt gegen Abend feiernd auf den Plätzen zusammen. Der krönende Abschluss war acht Tage darauf: Eine Million Menschen drängten sich auf dem Circus Maximus zusammen, um ihren Idolen zuzujubeln. Es wurde augenscheinlich, was mit einer Oktav (acht) gemeint ist: Für einen überragenden Anlass reicht ein Tag der Freude nicht aus.

Fußballfans jubeln auch bei uns aus voller Kehle, ihre Gesänge sind nicht nur aus dem Stadion zu hören. Dabei geht es nur um einen Sieg über den Rivalen aus der Nachbarstadt. Für den Sieg Jesu Christi über den Tod und die entsprechende Osterfreude hat die Liturgie der Kirche ebenfalls eine Woche, die Osteroktav, ja 50 Tage der Osterzeit vorgesehen. Nur: Jubelgesänge hörst du keine, selbst in der Kirche öffnet sich der Mund der Christen nur zögernd zum österlichen Halleluja. Der Grund? Vielleicht der Zweifel des Apostels Thomas, der als zäher Widersacher der Begeisterung in uns allen steckt: „Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht“ (Joh 20,25). Thomas war ursprünglich nicht dabei, so tut es sich jetzt mit dem Glauben schwer.

Das Dabeisein und die Stimmung im Stadion mitzuerleben, wäre wahrscheinlich ein Traum gewesen. Aber auch der Jubel der Römer hinterher hat bei mir Eindruck hinterlassen. Das heißt für die Glaubensweitergabe: Wie die gemeinschaftliche Begeisterung der Fans ein Fußballerlebnis ausmacht, ähnlich bringt der Enthusiasmus der Glaubenscommunity die Osterbotschaft so richtig unter die Leute. Insofern gibt Nietzsches Zarathustra zu denken: „Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich an ihren Erlöser glauben lerne: erlöster müssten mir seine Jünger aussehen!“ Weil nicht die Lehre, sondern die Feier des Glaubens entscheidend ist, gibt es so etwas wie Osteroktav bzw. die fünfzig (Feier-)Tage bis Pfingsten – bzw. den Sonntag. Jeder Sonntag ist ein kleines Wochen-Ostern. – Wenn Du Dich mit Thomas‘ Zweifel nicht begnügen willst, feiere mit den ‚Fans‘ der Auferstehung Jesu den Sonntagsgottesdienst mit. Tut dem Glauben gut.

Und komm gut ins neue Semester!

P. J. Gregur

Auferstehung – ein Fake?

Samstag, 16 April 2022

Auferstehung – ein Fake?

Ist Jesus wirklich auferstanden? Das ist die entscheidende Frage christlichen Glaubens. Kritiker halten es für unwahrscheinlich. Bemerkenswerterweise plädiert ein jüdischer Theologe und Schriftsteller, Pinchas Lapide (+1997), für die Glaubwürdigkeit der Auferstehungsbotschaft. Denn wie wäre es zu erklären, dass aus einer Gruppe von verängstigten Jüngern, die Jesus in der Todesstunde im Stich gelassen haben, „über Nacht eine selbstbewusste Missionsgesellschaft (wurde), die von der Rettung überzeugt war. Eine so revolutionäre Umwandlung wäre unerklärlich, wenn es sich nur um eine Vision oder Halluzination gehandelt hätte.“ Und was ist, wenn sie seinen Leib gestohlen und dann behauptet hätten, er sei auferstanden? „Würden sich Betrüger im Namen einer Illusion quälen und verfolgen lassen, ja sogar freudig den Märtyrertod auf sich nehmen?“ – Im Sinne Lapides kann hinzugefügt werden: Es muss eine geistig-geistliche ‚Explosion‘ vonstattengegangen sein, deren Hintergrundstrahlung uns bis heute jubeln lässt: Christus ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden!

 Ein frohes und gesegnetes Osterfest im Namen der ganzen KHG wünscht euch

P. J. Gregur

Wie das Leben so ist – Die Karwoche

Freitag, 08 April 2022

Wie das Leben so ist – Die Karwoche

Liebe Studierende und alle, die das lesen, die Überschrift „Wie das Leben so ist“, mag euch für die Karwoche ein wenig zu prosaisch und zu simpel vorkommen. Aber ich glaube, dass die Feiern der letzten Tage Jesu tatsächlich ein Abbild dessen sind, was auch wir mitmachen: Das Hosianna und das Kreuzige, Zustimmung und schroffe Ablehnung, Palmsonntag und Karfreitag: In Jesu Schicksal spiegelt sich das Menschsein von uns allen wider.

Aber das Schicksal Jesu als Spiegel menschlichen Lebens wäre für den Glauben zu wenig. So ist nicht der Karfreitag, sondern der Ostersonntag der Fluchtpunkt der Karwoche. Dann greift meine Überschrift in der Tat zu kurz. Denn Ostern ist etwas ganz aus dem Rahmen Gefallenes. Palmsonntage und Karfreitage, sie kennen und erfahren wir. Aber dass jemand die Schallmauer des Todes durchbricht, das ist so fremdartig, dass nicht nur die Athener den heiligen Paulus ausgelacht haben, als er davon sprach (Apg 17). Es ist der Prüfstein für die menschliche Raison schlechthin. Es sei denn Voltaire hat recht: „Die Auferstehung ist die einfachste Sache der Welt. Der, der den Menschen einmal geschaffen hat, kann ihn auch zum zweiten Male schaffen.“

„Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen“ (1 Kor 15,20), beteuert Paulus, und unterstreicht: „Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos“. Ohne Auferstehung Jesu stürzte das zweitausendjährige Christentum wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Auch die Karwoche ohne Ostersonntag wäre ein Torso. Die Palmprozession, die Fußwaschung am Gründonnerstag, die Trauerfeier am Karfreitag, sie hätten keinen Sinn, wenn sie nur durchspielten wie das Leben so ist. Manchmal ist man auch in der Kirche zu sehr der Diesseitigkeit verpflichtet: sich nett unter die Zeitgenossen mischen, ihnen ‚aufs Maul schauen‘ (M. Luther), sich mit der Jesusfahne unterm Arm nützlich erweisen und so die Prosaik des Lebens ein wenig verklären. Auch dagegen erhebt der Apostel seine Stimme: „Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen.“ Die erste Aufgabe der Kirche ist also, die Auferstehung auszurufen! Sie ist der Urgrund kirchlicher Verkündigung, ihres Dienstes am Menschen und ihrer Liturgie. Feiert mit, damit die Morgenröte des Ewigen die Todesschatten des Alltags überstrahlt. Stück um Stück, Jahr für Jahr.

Eine gesegnete Karwoche!

P. J. Gregur

„Heureka!“

Freitag, 01 April 2022

„Heureka!“

 „Bleib doch mal bei der Sache! So wird das nie etwas,“, mahnt mich der Engel des Gebetes. Er hat recht. Immer wieder schweife ich ab beim Rezitieren der Psalmen. Ein Gedanke, eine plötzliche Idee schwirrt durch meinen Kopf. „Ein Geistesblitz!“ Vielleicht vom Heiligen Geist?

 „Das wage ich zu bezweifeln!“, meint der Engel. „Aber schreib´s auf!“  „Den Geistesblitz?“ „Was denn sonst! Schreibe ihn auf, sonst ist er weg!“ „Aufschreiben? Jetzt!?“ „Nicht unbedingt beim Gebet! Aber überall sonst“, sagt der Engel. 

 Überall sonst:  Das kann sein, beim Lernen und Studieren, wenn einem die Augen fast zufallen. Geistesblitze, so sagt die Wissenschaft. mögen eine leichte Schläfrigkeit.  Und sie bevorzugen Tätigkeiten, bei denen keine große Aufmerksamkeit erforderlich ist: Staubsaugen oder Blumengießen. Spülen in der Küche. Sogar auf dem stillen Örtchen.  „Geistesblitze“ überraschen einen beim Spaziergang oder beim Joggen im Wald. Es ist ratsam, einen Stift und Block dabei zu haben. Natürlich! Das Handy reicht auch.

 Doch warum sollen wir diesem Phänomen überhaupt so viel Aufmerksamkeit schenken? Weil unser Unterbewusstes vieles gespeichert hat, auf das unser bewusstes Denken und Studieren nicht kommt so verkopft wie wir sind.  

 Wissenschaftler haben auch herausgefunden: „Geistesblitze“ kann man nicht erzwingen, weder errechnen, noch herbei beten. Sie kommen gerade dann, wenn man sie nicht erwarten. Die alten Griechen riefen bei einem „Geistesblitz“ „Heureka!“ Was so viel bedeutet wie: „Ich hab‘s gefunden!“

 Um „blitzgescheit“ zu sein. braucht man kein Abitur oder Studium.  Erfinder, Musiker, Literaten, Politiker, (eher selten), sogar Heilige berufen sich auf „Geistesblitze“ als zündende Idee für ihr Schaffen.

 Ein berühmtes Beispiel aus der jüngeren Kirchengeschichte ist die Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965).  Auf die Frage, wie es dazu gekommen sei, vertraute der Konzilspapst Johannes XXIII. humorvoll seinem Tagebuch an: „Der erste, der überrascht war von meinem Vorschlag war ich selber ...“   

 P. Gerhard Eberts MSF

 

 

Der verlorene Sohn

Freitag, 25 März 2022

Der verlorene Sohn

Das größte Dilemma im Ukrainekrieg liegt wohl darin, dass Putin ohne Gesichtsverlust aus der angezettelten Katastrophe nicht herauskommen kann. Erniedrigt bzw. besiegt kann er sich vor seiner Klientel nicht mehr behaupten. Deshalb ist er für die ganze Welt gemeingefährlich geworden.

Betrachtet man diese Sackgasse, kommt man als Wurzelursache, als ‚Erbsünde‘ um den Stolz nicht herum. Es ist das Wesen des Stolzes, dem Teufelskreis des ‚Ich-ich‘ nicht entkommen zu können. Darin besteht übrigens auch die Hölle: Sie ist die Selbstbestrafung durch die narzisstisch-trotzige incurvatio in se ipsum (hl. Augustinus), Verbohrtheit in sich selbst, die jede Umkehr unmöglich macht. Warum, wie und zu wem umkehren, wenn es nur das Ich gibt?

Das Ich muss nicht nur eine Person sein, es gibt das kollektive Ich eines Nationalismus, einer Ideologie, einer Weltanschauung, einer angeblichen Tradition; Götzen, die auf den Plan treten, wenn es keinen Gott gibt. Die großen Verbrecher des 20. Jh. beispielsweise, Hitler und Stalin, kaschierten ihre Gott-losigkeit und Gangstermentalität auf diese Weise. Das vermeintlich nationale, de facto aber chauvinistische Wir treibt auch den Protagonisten der Aggression auf die Ukraine um. Es macht die persönliche Umkehr noch aussichtsloser.

Bereits die zigmal verbriefte Erkenntnis, dass Egoismen, individuell oder kollektiv, in der Regel beim ‚Schweinetrog‘ der Geschichte enden bzw. in Katastrophen münden, schon sie mahnt zur Besinnung. Besser und aussichtsreicher aber ist der Glaube, dass es da Größeres gibt als mein Ich und meine Ideologie, ein göttliches Du, das meine Verirrung nicht strafend sanktioniert, vielmehr in der Wurzel heilt. Wie beim verlorenen Sohn aus dem Evangelium lassen seine offenen Arme und die verzeihende Erwartung meinen Egotrip wie den Schnee in der Frühlingssonne schmelzen. Mit Gott kann ich ohne Gesichtsverlust umkehren und neu leben.

Einen gesegneten 4. Fastensonntag!

P. J. Gregur

Verlorener Sohn, Bibelied von Martin Pepper

https://www.youtube.com/watch?v=j1fXt3oHL3I

„Lange war ich weggelaufen, suchte in der Ferne mein Glück. War bereit, zu verkaufen, was mir von meinem Erbe blieb. Irgendwann war nur noch Leere, Hunger und Einsamkeit, als ob etwas gestorben wäre, zur Umkehr war ich nun bereit. Doch in mir lebte noch die Schande, ich schämte mich vor deinem Blick. Konnte mich doch nicht verwandeln, ich konnte doch nicht so zurück.

Da sah ich dich am Wegrand stehen, die Arme zu mir ausgestreckt. Ich wusste nun, mir war vergeben, ich war nicht länger angeklagt. Es tat so gut, nach Hause zu laufen, ich machte mich auf den Weg. Und ich begann, vieles neu zu begreifen, welch ein Glück! War ich noch vorher geblendet von Lüge, konnte die Wahrheit nicht seh`n. Da zeigte sich diese Klarheit der Liebe. Ich sah meinen Vater mir entgegen geh`n.

Du stecktest mich in neue Kleidung, gabst mir meine Würde zurück. Ich spürte so was wie Befreiung, ich fühlte mich nicht mehr bedrückt. Langsam wurde alles sichtbar, was ich schon längst verloren sah. Träume von erfülltem Leben waren plötzlich wieder da. In Gottes Haus ist Fülle des Lebens bereit. Und, wer sich aufmacht, erfährt: der Weg ist gar nicht weit.“

Anwalt haben

Freitag, 18 März 2022

Anwalt haben

Es gibt diese berühmte Geschichte von Baron Münchhausen, der sich selbst und sein Pferd am eigenen Haarzopf aus dem Morast herausgezogen haben will; ein physikalisches Unding. Auf Zwischenmenschliches übertragen könnte das heißen, dass nicht nur das ‚Selbstlob stinkt‘, sondern auch die Selbstrechtfertigung auf Misstrauen stößt: Je mehr du dich erklärst, desto befangener kommst du rüber. Besser ist es, jemand zu haben, der für dich spricht, dein Anwalt bzw. deine Anwältin ist.

Das Evangelium des kommenden 3. Fastensonntags inspirierte mich zu dieser Einleitung. Dort wird von einem Feigenbaum erzählt, der schon wieder die erwartete Frucht nicht liefert. Deshalb soll er umgehauen werden. Aber der Gärtner macht sich zu seinem Verteidiger und bittet den Gutsbesitzer um eine weitere Gnadenfrist: Lass ihn doch noch stehen, vielleicht bringt er seine Frucht nächstes Jahr doch.

Wer ist dieser Gärtner, der Anwalt des Baumes? – „Wenn aber einer sündigt, haben wir einen Beistand beim Vater: Jesus Christus“ (1 Joh 2,1). Jesus ist Anwalt, nicht um den zornig-ungeduldigen Herrgott zu besänftigen. Gott hat ja „kein Gefallen am Tod des Schuldigen, sondern daran, dass ein Schuldiger sich abkehrt von seinem Weg und am Leben bleibt“ (Ez 33,11). Der Vergleich mit dem Gutsbesitzer, dessen Gnade ein Ende hat, ist nur ein Ausdruck für die Begrenzung unseres menschlichen Denkens: Irgendwann muss Schluss sein! Bei Jesus gilt das Wort, das er Petrus hinsichtlich Vergebungshäufigkeit sagte: Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal d. h. immer. Der christliche Geduldsfaden sollte kein Ende haben.

Zurück zum Anwalt, praktisch und als Gewissensfrage, speziell jetzt in der Fastenzeit: Wann hast du dich zuletzt für jemand eingesetzt, für andere verwendet, ihre Sache dir zu eigen gemacht oder dich überhaupt dafür interessiert? „Ich habe keinen Menschen“, sagte der Gelähmte, um im entscheidenden Augenblick zum Gesundheitsteich hingetragen zu werden (Joh 5,7f). Es gibt auch jetzt viele, die keinen Menschen haben; zum Zuhören, zur Aussprache, als ‚Klagemauer‘, als Für-SprecherIn bei Mobbing und Verleumdung. Münchhausens Geschichte zeigt: Aus menschlichem Sumpf von Verstrickungen, Schuld und Bosheit kommt man ohne Gott und gegenseitige Hilfe kaum heraus.

Gesegneten dritten Fastensonntag wünscht euch

P. J. Gregur

Eine Zeitenwende

Freitag, 11 März 2022

Eine Zeitenwende

 

Ich bin immer noch ratlos über die Veränderungen der vergangenen zwei Wochen. Der Donnerstag an dem der russische Präsident Putien den Befehl zum Krieg gegen die Ukraine gegeben hat, wird von vielen als Beginn einer Zeitenwende bezeichnet. Hastig werden in Europa Entscheidungen getroffen, die zuvor für nicht Möglich gehalten wurden.

 

Wir stehen an einer Zeitenwende. Dieses Wort, das die aktuelle Weltlage prägt, steht auch über der Fastenzeit, die begonnen hat. Auch sie hat den Charkakter einer Zeitenwende: Ein Püfen des bisherigen Wesges, ein Überdenken alter Entscheidungen und neue Entschlüsse?  Auf was möchte ich verzichten? Was möchte ich ganz bewusst tun?

 

Wer mit diesen Fragen in die Fastenzeit geht, der braucht eine grundlegende Idee wonach er sein Leben neu ausrichten will. Was ist mein Entwurf von einem gelingenden Leben? Was bedeuten mir gewisse Dinge, Personen, Aktivitäten wirklich?

 

Wir können den Lauf der Zeit nicht aufhalten oder zurückdrehen, auch wenn ich mir das manchmal wünsche. Ob wir es wollen oder nicht – wir stehen nun in dieser Zeitenwende.

 

Die Fastenzeit ist zwar eine ruhigere Zeit, aber keine untätige Zeit. Sie ruft dazu auf, sich unserem Leben und der weltweiten Zeitenwende zu stellen. Was ist mein Entwurf von einem gelingenden Leben? Wie will ich die Zeit gestalten, die mir zu Verfügung steht.

 

Geben wir diesen Fragen in der kommenden Zeit einen Raum und lassen wir die Zeitenwende, in der wir stehen, nicht einfach nur geschen. Gestalten wir sie und lassen wir nun Gott unsere Zeit, unsere Geanken und Ziele mitgestalten, im Vertrauen, dass er uns kennt und unser Leben vollenden kann.

Dennis Nguyen

 

 

„Feuer suchst du? Du findest es in der Asche.“

Samstag, 05 März 2022

„Feuer suchst du? Du findest es in der Asche.“

Ein Glas Möhrensaft am Tag, Natürlich aus biologischem Anbau. Darin ein Löffel Olivenöl. Das soll helfen, die Haut glatt und jugendlich zu erhalten,

 Das fühlt sich doch gut an! Anders als die Asche, die uns zu Beginn der Fastenzeit aufs Haupt gestreut wurde. Dieser Ritus bestätigt doch geradezu das Gefühl vieler Menschen: „Ich bin nur der letzte Dreck!“ Darf die Kirche dieses Gefühl verstärken? Müsste sie nicht im Gegenteil das angeknackste Selbstwertgefühl aufrichten?  Stattdessen streut sie Asche auf die Köpfe. „Staub bist du! Zum Staub kehrst du zurück.“ 

 Vielleicht ist das eine Botschaft für alte Menschen, aber muss man junge Menschen mit dieser Botschaft vor den Kopf stoßen? Junge Menschen, die ein Recht darauf haben, das Leben zu genießen oder wenigsten zu entdecken? Es ist ja traurig genug, wie diese Generation aufwächst!  Corona-Pandemie und jetzt: Krieg in der Ukraine. Für die sich kirchlich verbunden fühlen, kommt hinzu: das unsägliche Thema Missbrauch.  Da ist doch die Auflegung der Asche recht unsensibel: „Staub bist du!“ „Dreck bist Du!“

 Wäre das wirklich mit dieser Zeremonie gemeint, würde die Kirche in der Tat die Botschaft Jesu verraten. Nein! Keiner muss die vierzig Tage der Fastenzeit in „Sack und Asche“ verbringen. Durchaus beabsichtigt ist freilich, dass wir zur Besinnung kommen. In jedem Lebensalter tut es gut, sich der eigenen Vergänglichkeit bewusst zu werden und so Bescheidenheit und Rücksicht zu lernen. Das Leben bringt ständig Veränderungen, leider oft auch Niederlagen statt Siegen, Enttäuschungen statt Überraschungen, Krankheit, statt Gesundheit, Liebeskummer statt Liebesglück  

 Je früher man lernt, damit umzugehen, aus einer Niederlage einen Sieg zu machen, umso besser gelingt das Leben.  Die Asche auf den Köpfen markiert den Anfang eines Weges, die wir Fastenzeit oder richtiger österliche Bußzeit nennen, Es ist ein Weg, der vierzig Tage dauert, Ja! Ein Weg, der das Kreuz nicht außer Acht lässt, aber dessen Ziel Ostern ist, wo uns der Auferstandene sagt: „Ich lebe und auch ihr werdet leben!“  In dieser faszinierenden Spannung bewegt sich unser Leben als Christen.

 Die Fastenzeit macht uns Mut  unter der Asche des Alltäglichen und Banalen, des Vergänglichen und Sterblichen die verborgenen Sehnsüchte und Hoffnungen zu entdecken und vor allem den Glauben an das österliche Leben.  und die „die Kohle unter der Asche anzublasen“. Dazu ermutigt uns der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber: „Feuer suchst du? Du findest es in der Asche.“

Gebrauchsanweisung: Möhrensaft glättet die Haut. Aber das Aschenkreuz geht unter die Haut. 

  P. Gerhard Eberts MSF

Selbst-los

Freitag, 25 Februar 2022

Selbst-los

Jetzt, am Aschermittwoch, kommt die Fastenzeit wieder oder, wie man besser sagt, die österliche Bußzeit. Denn es geht nicht um das Fasten an sich. Das christliche Fasten hat ein Ziel, ein österliches: Sich enthalten, um Ostern intensiver zu erleben. Aber auch hier nicht nur: Weniger konsumieren, damit das Essen, das Bier, der Wein oder die Zigarette danach wieder besser schmecken. Der tiefere Sinn der christlichen Fastenzeit wird in der Liturgie so in den Blick genommen:

„In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, allmächtiger Vater, zu danken und dich in dieser Zeit der Buße durch Entsagung zu ehren. Die Entsagung mindert in uns die Selbstsucht und öffnet unser Herz für die Armen.“ (Fastenpräfation)

Die Selbstsucht ist die Ursünde des Menschen. Adam und Eva haben sich durch ihr ‚Selbst-ist-der-Mensch‘ im Baum des Paradieses an Gott als Lebensmitte vergriffen und ihn auf diese Weise entehrt; ein Bild für den egoistischen Lebens-Konsum von uns allen, mit dem wir meinen: Wir schaffen das! Jesus hat diesen Egotrip stellvertretend korrigiert durch Ganzhingabe seines Ich im Baum des Kreuzes, mit der er den Vater ehrte.

Man könnte die Fastenzeit mit einem Meditationsmantra (zum Ausatmen und Einatmen) so zusammenfassen. Weg von mir – hin zu Dir – eins mit Dir – neu aus Dir!

Ich wünsche euch – im Namen der KHG – ein schönes Faschingswochenende und dann einen guten Einstieg in die österliche Bußzeit!

P. J. Gregur

Die Befleckte lieben

Samstag, 19 Februar 2022

Die Befleckte lieben

Wenn beim Essen dein Gegenüber im Mundwinkel einen Speiserest hat, wirst du garantiert nur darauf starren, der Mensch dahinter verschwindet quasi. – Ähnlich mutet es an, wenn jetzt vor lauter Missstände das Gute an der Kirche aus dem Blick gerät. Wieder und wieder wird die Katholische Kirche als ganze unter Beschuss genommen. Gestern z. B. (17. 2.) im BR bei „Asül für alle“; hier noch relativ moderat, doch selbstverständlich unter Applaus des virtuellen Publikums: „Glaubensgemeinschaft, für die sich Gott unentwegt schämen muss“ (M. Uthoff). Nicht nur Kirchenferne müssen langsam den Eindruck gewinnen, es handele sich um nichts als ein machtgieriges Sündenbabel von MissbrauchstäterInnen.

Bei aller Berechtigung der Diskussion, es nervt langsam! Ja, die ‚Moralapostel‘, wie man spottet, haben gesündigt, den Menschen und so auch der Kirche schwer geschadet. Nichts ist da zu beschönigen und Enttäuschung verständlich. Aber sollte man das Kind mit dem Bad ausschütten? Verdammen, Brandmarken, Austreten? – Ganz und gar nicht. Gründe?

Entscheidende, theologische Gründe werden oft nicht mal mehr intern verstanden, geschweige denn in der Öffentlichkeit: dass die Kirche vor allem eine geistliche Gemeinschaft ist, in der sich Getaufte Christus, einander und der Welt verpflichtet wissen. Man kann selbstverständlich historisch den Blick auf das Machtgehabe des mittelalterlichen Klerikalismus fixieren. Man kann aber auch auf die Dom- und Klosterschulen blicken, wo nicht nur adelige Jugendliche Aufnahme fanden; auf die Hospitäler und Apotheken, um die sich sonst niemand kümmerte; auf die Schreibstuben der Mönche, die antike Schriften kopierten und überlieferten, von denen wir heute noch profitieren. Allen Vorurteilen zum Trotz steht fest, dass die Kirche Universitäten ins Leben rief, ihre Mitglieder Wissenschaft und Kultur entscheidend voranbrachten. Nicht zu sprechen vom Widerstand gegenüber manchen Irrwegen des Zeitgeistes; vom Engagement der IdealistInnen, die im Namen Jesu die Not der Welt erträglicher machte: Bischof Martin, Nikolaus, Franz von Assisi, Katharina von Siena, Angela Merici, Ignatius, Theresa von Ávila, Don Bosco, Kolping, Mutter Theresa und unzählige andere Wohltäter der Menschheit. Das Bashing der Kirche empfinde ich persönlich als ungerecht, nicht nur, weil es auch meine Jugendarbeit in Missbrauchs-Sippenhaft nimmt, sondern auch meine Schwester, die beiden Tanten und die Cousine, die als Klosterfrauen in der Nachfolge Jesu nur auf Gottes Lohn bauten. Widerspruch ist angesagt angesichts diskriminierender Häme im Namen zahlreicher Idealisten im Priester- und Ordensstand, die auch heute weltweit täglich mit und für die Armen leben (mein Mitbruder Lothar Wagner beispielsweise, der seine Straßenkinder in Afrika auch dann nicht verließ, als viele vor Ebola flohen. Die Kirchenkritik mag hier die Konkurrenz antreten und ihre Leistungen vorweisen!). Die Kirchenschelte ignoriert das Engagement ungezählter ‚Laien‘, die im Namen der Kirche christliche Solidarität praktizieren. Sie setzt sich ahnungslos über die christlichen Ideale hinweg, die unsere Zivilisation genetisch prägen; Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sind keimhaft in den Gründungsschriften der Kirche (Paulus) angelegt. Wer sich über all das ehrlich informiert, wird unschwer die Überzeugung des Ex-Bundesentwicklungsministers Gerd Müller teilen, die er aus eigener weltweiter Erfahrung gewann: „Katholische Kirche ist größte Bewegung für Frieden und Gerechtigkeit auf der Welt!“

„Warum bleiben, wenn die Kirche zum Davonlaufen ist?“ Zu diesem Thema sprach unser Bischof Bertram beim letzten Augsburger ökumenischen Hochschulgottesdienst. Es lohnt sich, seine Gründe nachzulesen. Nicht nur um in der Kirche zu bleiben, sondern um sie trotzdem zu lieben – die Befleckte.[1]

Eine schöne Woche!

P. J. Gregur


[1] „Warum bleiben, wenn alles zum Davonlaufen ist?“ https://www.hochschulgottesdienste.de/

 

„Ihr werdet lachen“

Freitag, 11 Februar 2022

„Ihr werdet lachen“

„Es ist zum Heulen“, jammert die junge Frau. „Was ist zum Heulen?“  „Alles. Die Politik! Die Kirche! Die Familie!“ Nichts Bestimmtes. Die Frau verfällt in den in Deutschland gängigen Jammerton. Dabei überhören Menschen, wie diese junge Frau, wahrscheinlich auch die Botschaft, mit der uns der Evangelist Lukas in den Seligpreisungen am Sonntag überrascht: „Selig, die ihr jetzt weint. Ihr werdet lachen.“

Gibt es nichts Wichtigeres als das Lachen? Ja, wichtiger sind Humor, Heiterkeit und Freude. Sie sind keine beliebigen Zutaten zum Christentum. Sie sind notwendig wie das Salz in der Suppe. Doch auch das Lachen und sogar der Witz gehören dazu. 

 Der evangelische Hamburger Theologe und Journalist Hinrich C. G. Westphal ist überzeugt: „Humor und Witze machen das Leben leichter und bieten den Menschen die Möglichkeit, auch das Abstrakte oder gar das etwas Unheimliche einer Religion fassbar zu machen.“ Westphal hat religiöse Witze gesammelt. Sein Buch trägt den Titel:  "Heiter bis heilig.“  Witze macht man ausgerechnet dort, wo es ernst wird: beim Tod., Das illustriert der Autor so: "Pfarrer Weigelt erschrickt, als er in der Zeitung seine eigene Todesanzeige entdeckt. Er ruft den Bischof an und macht ihn darauf aufmerksam. Der zeigt sich geschockt: Lieber Bruder, um Himmels Willen, sagen Sie mir: Von wo rufen Sie nur an?"

Das Lachen und vor allem den Humor kann man freilich nicht befehlen. Humor bedeutet: Feuchtigkeit, Saft, wie eine alte medizinische Auslegung schreibt. Humor muss von innen kommen. Man muss tief graben, um in dem eigenen Inneren die Quellen der Menschlichkeit wieder freizulegen.  Dazu will uns Jesus bringen, wenn er sagt: „Selig, die ihr jetzt weint, ihr werdet lachen.“

 Ich sehe das Bild vor mir, wie Jesus, das verlorene Schaf auf den Schultern, müde, aber mit strahlendem Lächeln auf uns zukommt: „Freut euch mit mir! Ich habe das Schaf wiedergefunden, das verloren war.“ Und ich sehe das Bild der Engel vor mir, von denen Jesus sagt: „Es wird im Himmel mehr Freude sein über einen Sünder, der sich bekehrt als über neunundneunzig (griesgrämige) Gerechte.“    

So schenke ich euch ein Lächeln! Mit Mundschutz – mehr ist im Augenblick nicht drin. 

Aber es kommt auch wieder anders. Das wäre doch gelacht!

 Euer Pater Gerhard Eberts

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